Schriftsonar Podcast#63 – Chris Beckett, Andreas Eschbach, Peter Watts, Arkadi & Boris Strugatzki
Gerade erst erschienen und schon bei Schriftsonar: Chris Becket reist in seinem neuen Roman „Beneath the World, a Sea“ nicht in die unendlichen Weiten des Alls sondern führt uns in die Finsternis der Herzen seiner Protagonisten in Südamerika. Denn eine Begegnung mit den telepathisch begabten Duendes, die dort leben, ist zwangsläufig auch eine Begegnung mit den Abgründen des eigen Unterbewußtseins.
Die totale Überwachung in einem totalitären Staat. Im „Nationalen Sicherheits-Amt“ von Andreas Eschbach ist der feuchte Traum aller Faschisten wahr geworden, denn der Komputer existiert seit der Weimarer Republik, alle Bürger besitzen ein Volkstelefon und seit der Abschaffung des Bargelds, gibt es keine Bereiche mehr, in denen keine digitalen Spuren hinterlassen werden. Sie haben nichts zu verbergen? Das entscheiden Sie nicht mehr alleine.
Wie startet man eine Revolution gegen eine dubiose K.I. wenn man von dieser K.I. nur alle tausend Jahre für ein paar Tage aus dem Kälteschlaf geholt wird? In der Novelle „The Freeze-Frame Revolution“ geht Peter Watts wieder einmal der Frage nach, wie sich Menschen unter extremen Rahmendbedingungen verhalten. Diesmal allerdings ohne Body-Horror, dafür mit einem beständig leichten Kribbeln im Nacken.
Vordergründig ein Abenteuerroman im Stil einer Mantel und Degen Posse, hinter der bunten Kulisse aber eine scharfsinnige Analyse altbewährter Machtergreifungs-Strategien von Autokraten. „Es ist schwer ein Gott zu sein“ von Arkadi & Boris Strugatzki hat nichts von seiner politischen Brisanz verloren, beschreiben sie doch äußerst anschaulich, dass sich bis heute nichts an den grundsätzlichen Strategien der Autokraten geändert hat. Allein sie zu beobachten und zu erkennen führt zu nichts. Doch wo den Hebel ansetzen?
Datastream
Chris Beckett: Beneath the World, a Sea. 288 Seiten. Atlantic Books (4. April 2019). ISBN: 978-1786491558
Andreas Eschbach: NSA – Nationales Sicherheits-Amt. 800 Seiten. Bastei Lübbe (28. September 2018). ISBN: 978-3785726259
Peter Watts: The Freeze-Frame Revolution. 192 Seiten. Tachyon Publications (12. Juni 2018). ISBN: 978-1616962524
Arkadi & Boris Strugatzki: Es ist schwer ein Gott zu sein. Übersetzung: Arno Specht, Erik Simon. 320 Seiten. Heyne (13. November 2017). ISBN: 978-3453319011
Link zum Film: Aleksesy German: Es ist schwer ein Gott zu sein (2013)
Musik zur Sendung
Six Umbrellas – Private Ark
2 Meinungen dazu
Schriftsonar #63 erschienen, 9. Juli 2019, 10:40 Uhr
[…] ein paar Tagen ist die 63.Ausgabe des Schriftsonar Podcast online. Auch diesmal geht es wieder um […]
Hans Peter, 15. April 2021, 0:16 Uhr
Hallo,
zu den Stugatzkis. Das Buch habe ich als ungefähr 20jähriger erstmals gelesen. Die politische Dimension war mir gleich klar, wegen meines Pazifismus mit einer guten Zugabe Marxismus.
In den Anmerkungen der Werkausgabe erwähnt B. Strugatzki nicht nur den ständigen Kampf mit der Zensur. Die Helden ihrer Bücher sind keineswegs aus Opportunismus durch eine kommunistesche Gesellschaft geprägt. Sie bleiben dabei Menschen mit ihren Widersprüchen. Mich wunderte damals schon, iirc, wie das Buch an der Zensur vorbei kam. Es greift eine Grundthese des Marx’schen Gedankengebäudes an: Die Weiterentwicklung der Gesellschaft mit Gewalt. Es unterstützt eine andere Grundthese: Gesellschaftlicher Fortschritt ist vom Stand der wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten einer Gesellschaft abhängig.
Das hat im Roman die Konsequenz, dass der Held (Buch ist wieder verschenkt, daher kann ich den Namen nicht nennen und nochmal höre ich jetzt den Podcast nicht) mit seinem ethisch begründeten Wunsch die Verhältnisse zu verbessern, blutig scheitert.
Das Werk der Strugatzkis habe ich, soweit auf Deutsch vorhanden, wiederholt gelesen. Der tiefe Humanismus der Romane zeigt sich an vielen Stellen. Picknick am Wegesrand ist ebenfalls gut lesbar, wurde auch zweimal verfilmt.
Die Abwendung der Strugatzkis von den Ideen der kommunistischen Bewegung kam mit den Erfahrungen des Bürokratismus der Zensur und dem Wahnsinn, der dahinter steckt. Der Humanismus blieb ihnen erhalten. Sie haben viel geschrieben, was ohne Verständnis der politsch-philosophischen Grundlagen nicht empfehlenswert ist, weil es dann nur langweilen kann. Viel zu wenig Action für die Netflix-Generation. Trotzdem wirklich genial
Grüße von einem im hessischen Arbeitsexil hängen gebliebenen Rheinländer!