Schriftsonar Podcast#49 – Cory Doctorow, Uwe Post, Tracey Brown & Michael Hanlon
Big Brother lässt grüßen: Cory Doctorow zeichnet in seinem Jugendroman Little Brother ein realistisches Bild der amerikanischen Terror-Paranoia und den daraus resultierenden Einschränkungen der Grundrechte. Die Hauptfigur Marcus Yallow gerät in die Fänge des Heimatschutzes und hätte mal lieber nicht auf seine Rechte bestanden, denn dadurch bekommt er die gesamte Macht des Überwachungsapparats am eigenen Leib zu spüren. Doch nach seiner Freilassung gibt er sich nicht geschlagen und nimmt den scheinbar aussichtslosen Kampf um die Freiheit mit seinen Hackerfreunden auf.
Whistleblower sind Verräter: Marcus Yallow hat vielleicht eine Schlacht gewonnen, doch der Kampf um die Bürgerrechte geht weiter. In Homeland, der Fortsetzung von Little Brother. geht es nun um den Umgang mit Whistleblowern, das „Leaken“ von brisantem Material, das Unterwandern von Bürgerrechtsbewegungen und den verzweifelten Versuch das Richtige im Falschen zu tun. Cory Doctorow weiß wovon er schreibt und gibt viele Handreichungen und praktische Tipps für all die jungen und alten Menschen, die das Gefühl haben etwas tun zu müssen und für ihre Grundrechte einstehen wollen.
Früher we were free: Colin Free tourt mit seine Crap Metal Band SchrottT durch ein Deutschland, das sich seit der Privatisierung der Polizei bizarr verändert hat. Die Mafia, der Vatikan, die Nigeria-Connection, Nazis und Scientology wachen nun in den einzelnen Bundesländern über Recht und Ordnung, bzw. über das, was die jeweiligen Machthaber dafür halten. Uwe Post schickt seine Protagonisten auf eine Tour de Force durch groteske Sicherheitschecks, absurde Konzertsituationen, bizarre Meet & Greets mit den jeweiligen Polizei-Funktionären und nicht zuletzt extrem bizarre Verhörsituationen. Ein sarkastischer Abgesang auf den Überwachungswahn, bei dem einem mitunter das Lachen im Hals stecken bleibt.
Wieso dürfen wir keine Wasserflaschen mehr mit in Flugzeuge nehmen? Wer sich das auch schon immer gefragt hat und mit den offiziellen Antworten bisher unzufrieden war, findet in dem Buch In the Interests of Safety von Tracey Brown und Michael Hanlon verblüffende Antworten. Viele Regeln, die vermeintlich unserer Sicherheit oder wahlweise Gesundheit dienen, existieren oft aus ganz anderen Gründen als den angenommenen. Die beiden Autoren haben einen wunderbaren Fragekatalog entwickelt um die teils absurden Regeln zu hinterfragen und arbeiten ihn Stück für Stück ab. Dabei lernen wir, wie wir selbst an den richtigen Stellen Dinge hinterfragen sollten und worauf es wirklich beim Thema Sicherheit (oder auch Gesundheit) ankommt. Eine wunderbares Buch um ein wenig Sachlichkeit in den Überwachungs-Diskurs weg vom blinden Aktionismus zu bekommen.
Datastream:
Cory Doctorow: Little Brother (rororo 2011 – 496 Seiten), Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn, ISBN-10: 3499257823
Cory Doctorow: Little Brother – Homeland (Heyne 2013 – 480 Seiten), Übersetzung: Oliver Plaschka, ISBN-10: 3453268830
Uwe Post: SchrottT, (Atlantis 2013 – 230 Seiten), ISBN-10: 386402126X
Tracey Brown & Michael Hanlon: In the Interests of Safety (Sphere Books 2014 – 288 Seiten), ISBN-10: 0751553492
Die Musik zur Sendung:
9 Meinungen dazu
Soenke, 10. Februar 2015, 18:35 Uhr
Little Brother gibt es auch aus CC Hörbuch:
https://archive.org/details/CoryDoctorowsLittleBrother-Kapitel1
XTRMNTR, 11. Februar 2015, 22:18 Uhr
He’s back ! Sehr schön, freut mich tierisch. Habe momentan einen Narren an David Brin und seiner Uplift Trilogy gefressen. Glaube bisher kam er noch nicht dran bei euch. Ansonsten danke das du weitermachst FC Stoffel
Michael, 12. Februar 2015, 16:26 Uhr
Das Warten hat sich gelohnt!
Gute Lesetipps zu einem wichtigen Thema. Ich kann dazu noch das Buch ctrl-Verlust „Das neue Spiel“ empfehlen.
Gibt es die Musik vom kleinen grünen Würfel auch als FLAC?
FC Stoffel, 19. Februar 2015, 13:27 Uhr
Danke Euch allen, für die weiterführenden Links und Lesetipps.
Die Musik vom grünen Würfel gibt es leider nicht als FLAC.
Tom Badil, 2. März 2015, 12:16 Uhr
… bin gerade über Euren Blog gestolpert – und vollkommen sprachlos vor Begeisterung.
Eure Pods mit den Buchbesprechungen finde ich sehr liebevoll, kundig und kurzweilig gemacht – auch die stimmungsvollen Musikeinblendungen zwischen den Besprechungen sind sehr passend ausgewählt.
Ihr habt einen neuen Fan gewonnen 🙂
Manfred Nachtsheim, 15. März 2015, 3:26 Uhr
Hallo Stoffel,
ich hab heute abend im Auto nochmal in die vermeintlich letzten Sendungen reingehört und mich wehmütig über die tollen Besprechungen gefreut. Und dann schau ich zu Hause nochmal nach, ob die Website noch existiert, will noch was nachschlagen, und dann seh ich …. Du machst weiter, bist sogar schon wieder dran!
Ach Du glaubst nicht, wie mich das freut, das ist echt sehr sehr schön. Lade mir grade runter, was ich verpasst habe und hör gleich vor dem Schlafengehen schon mal rein.
Gruß aus Andernach
Manfred
Manfred Nachtsheim, 15. März 2015, 15:37 Uhr
http://bearbone.blogspot.de/2015/03/schriftsonar-ist-wieder-da.html
Lao Tzu, 23. März 2015, 17:47 Uhr
Wie immer eine tolle Sendung, und der thematisch dazu passende Vortrag auf dem DortCon hat mir auch sehr gut gefallen. Was die Liste aus deinem Vortrag betrifft: Ich bin sehr froh, dass du mit Schriftsonar den letzten Punkt „Resignation“ noch nicht erreicht hast. Hoffentlich bleibt das noch lange so!
Carsten Schmitt, 2. Februar 2017, 12:53 Uhr
Nachdem ich sonst ja gerne auf der Aussprache von Autorennamen rumreite, hier mal zuerst ein ganz großes Lob. Ich finde es super, dass Du Schriftsonar weiterführst! Mir würde sonst echt was fehlen. In der letzten Zeit habe ich zwar keine Folgen mehr gehört, hole das jetzt aber langsam nach. Ich habe schon derart viele gute Bücher für mich entdeckt, dass jede Folge Schriftsonar auch etwas gefährlich für den Geldbeutel und den Platz im Regal ist. 😉
Ich kommentiere speziell diese Folge, weil Du mir bzgl. Corey Doctorow aus dem Herzen sprichst. Ich habe ihn in London mal live erlebt, und ich bin völlig deiner Meinung, dass er tolle Dinge tut und ich sein Engagement absolut lobenswert finde. Leider geht es mir ebenso, dass ich seine Bücher literarisch nun nicht unbedingt toll finde. Ich habe zwei gelesen und fand die „Aussage“ teils etwas zu dick aufgetragen, etwas zu vordergründig. Und eben nicht sonderlich gut geschrieben (ich habe die Original gelesen, an der Übersetzung kann es also nicht gelegen haben). Nicht abgrundtief schlecht, aber auch nicht gut genug, insbesondere bei Büchern, die man eigentlich mögen *will*.
Vielleicht wäre Cory ein Fall für Kooperationen mit einem anderen Autor?
Mir macht es das schwer, weitere Bücher von Doctorow zu lesen, da bin ich ehrlich. Ich habe so wenig Zeit zum Lesen, da muss ich strikt auswählen. Und ich dachte eigentlich die reine Ideenliteratur im SF Gerne sei auch schon länger ausgestorben? Denn jedes Mal, wenn ein Genreautor eine tolle Idee durch schlechte Schreibe killt, killt Azathoth ein kleines Kätzchen! Is‘ so, ich schwör! 🙂