Anfangsworte: William Gibson, Neuromancer
Ein Kultbuch der 80er und einer der wichtigsten und folgenreichsten SF Romane überhaupt. Doch Neuromancer von William Gibson wird nie mehr so sein wie beim ersten Mal. Hier war jemand, der zu Zeiten von Telnet und Modems über Cyberspace, Virtual Reality und den Pop-Underground einer Hackerjugend schrieb. Was heute alltäglich wirkt, war damals eine betörend neue Droge. Schnell, cool, in schwarz, gelb und Chrom. Eine machtvolle Feedbackschleife von Science Fiction Culture zur technologischen Wirklichkeit. Der Cyberspace ist eine literarische Erfindung und mit diesen Worten begann es:
CHIBA CITY BLUES — Der Himmel über dem Hafen hatte die Farbe eines Fernsehers, der auf einen toten Kanal eingestellt ist.
„Ist nicht mehr wie früher“, hörte Case jemand sagen, als er sich mit den Schultern einen Weg durch die Menge an der Tür vom Chat bahnte. „Ist gerade so, als haste so’n riesiges Drogendefizit angesammelt.“ Es war eine Sprawl-Stimme und ein Sprawl-Witz. Das Chatsubo war eine Bar für eingesessene Ausländer im freiwilligen Exil; man konnte eine Woche lang bechern, ohne ein Wort Japanisch zu hören.
Ratz schmiß die Theke. Seine Armprothese zuckte monoton, als er einen Schwung Gläser mit Kirin vom Faß füllte. Er sah Case und lächelte. Sein Gebiß war ein vertracktes Gebilde aus osteuropäischem Stahl und schokobrauner Fäule. Case fand einen Platz an der Theke zwischen der unwahrscheinlichen Bräune einer Hure von Lonny Zone und der steifen Marineuniform eines großen Afrikaners, dessen Wangen mit präzisen Reihen von Stammesnarben geritzt waren. „Er war schon da, mit zwei Mackern“, sagte Ratz und schob Case mit seiner unversehrten Hand ein Bierglas über die Theke zu. „Geschäft mit dir, Case?“
Case zuckte mit den Achseln. Das Mädchen zu seiner Rechten stupste ihn kichernd.
Der Barkeeper grinste. Seine Häßlichkeit war legendär. Im Zeitalter käuflicher Schönheit hatte sein Mangel daran Signalwirkung.