Die Zukunft des Buches: Nicht lesen?

Die Diskussionen über die Zukunft des Buches und des Buchmarktes sind in vollem Gange. Technologisch wird dieses Thema jedoch von IT-Entwicklern und Thinktankern beherrscht, die sich mit vielem beschäftigen. Aber nicht viel lesen.

Als Science Fiction- und Bücherfan fühle ich mich quasi von zweiten Seiten von dem Thema betroffen. Es gibt jede Menge Konzeptstudien zur Zukunft des Buches. Was ich jedoch in ihnen vermisse, ist das, worum es beim Buch geht. Um’s Lesen. Wir können blättern, chatten, klicken, wir erfahren alle Referenzen, sind vernetzt und können sogar selbst mitmachen! Nur … einen längeren Text lesen werden wir auf diese Weise nicht mehr.

Es sind Bücher von wenig-Lesern für nicht-Leser. Bücher für Menschen, die höchsten in Büchern lesen. Die aber kein Buch lesen.

Hier ein gutes Beispiel. Eine Studie zur möglichen Zukunft des Buches von der Agentur IDEO. Ich wette, die beteiligten Designer und Entwickler lesen nicht mehr als ein oder zwei Romane im Jahr. Wenn überhaupt.

Irgendwie ist das, als würde man die Zukunft der Kindererziehung mit lauter kinderlosen Singles diskutieren. Da beschleicht mich die Frage, ob zukünftige Generationen überhaupt noch die mentalen Fähigkeiten haben werden, um einen 800 Seiten Roman zu lesen?

Ein vollkommen immersiver Akt, die wunderbare Erfahrung, regungungslos zu sitzen und einfach nur zu lesen, während dabei etwas in meinem Bewusstsein geschieht. Ohne mit den Fingern auf den Seiten rumzuzappeln, ohne dreißig Tweets zu füttern, ohne sich durch interaktive Aufgaben zu klicken. Einfach nur dasitzen, Worte lesen. Stundenlang und ohne etwas anderes zu tun als gelegentlich am Kaffee, Tee oder Wein zu nippen. Während in mir ein Universum entsteht.

Ich meine diese Gedanken nicht (nur) kulturkritisch. Früher wurden die Menschen durch Stummfilme geängstigt und gefesselt. Heute hält der ungeübte Zuschauer die langsame Bildsprache und die expressiven Gesichter mit den musikalischen untermalten Emotionen kaum noch aus.

Bruce Sterling beschreibt in The Caryatids, wie die Menschen der Zukunft nicht mehr in der Lage sind, Spielfilme zu sehen, weil ihre Wahrnehmungsmuster und ihre Aufmerksamkeitspanne sich nicht mehr auf eine lineare Zwei-Stunden Handlung konzentrieren können.

Werden die neuen digitalen „Bücher“ die immersive und intime Leseerfahrung verschwinden lassen? Werden die Leser der Zukunft Bücher wie Moby Dick, Wüstenplanet oder Cryptonomicon nicht mehr lesen können, weil sie in einer Welt hyperaktiver Gadgets und minimaler Konzentrationsspannen leben?

Mal im Ernst, wer kann heute noch einen ganzen Nachmittag auf der Couch sitzen und ein Buch lesen. Ich meine nicht, wer hat noch die Zeit dazu? Ich meine: Wer ist mental noch in der Lage, solch ein Erlebnis mit sich selbst zu teilen? Werden wir zu hyperaktiven Häppchen-Lesern mit blinkenden Klick-Blätter-Biep-Kisten auf dem Schoß?

Die Designer solcher Studien scheinen es zu sein.

1 Meinung dazu

Marc, 15. Februar 2013, 9:24 Uhr

Hallo Ihr Librinauten

Ich muss ja gestehen, dass ich auch E-books lese. Nicht nur. Aber genausowenig bin ich ein Mitstreiter der „Papier-Front“. Beides hat seine Berechtigung. Beides unbestreitbare Vor- und Nachteile. Und über Geschmäcker lässt sich ja bekanntlich eh nicht streiten.

Zum Thema: Ja, was manche als ersehnenswerte Utopie betrachten reizt in mir den Brech. Ich habe das Filmchen nicht angeschaut, aber allein das Bild weckt bereits grosse Abneigung gegen das, was mich darin wohl erwarten mag. Und das obwohl ich grade dabei bin mir ein neues Tablet zu kaufen. Und auf dem lese ich auch. Aber dann auch ausschliesslich. Darum darf ich beim gehen auch nicht lesen, denn das könnte schmerzhaft werden. Entweder für mich oder die Person die ich grade über den Haufen gehe (rennen kann ich beim Lesen ja nicht).

Wenn’s nichts ausmacht verteile ich diesen Beitrag. Er drückt sehr schön aus was ich zu diesem Thema denke und fühle.

Gruss und guten Tag.
Nein, einen schönen guten Tag. 😉
Marc

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