Cory Doctorow über die Zukunft der Medien im Internet

eBooks haben nur geringe Chancen, lange Romane sind die Lyrik von Morgen und Künstler werden es wieder richtig schwer haben – Cory Doctorow denkt nach über die Media-Morphosis von Zeitungen, Big Budget Filmen, Musik und Büchern.

Media-Morphosis: How the Internet Will Devour, Transform, or Destroy Your Favorite Medium

Cory DoctorowKein neues Thema, gewiss. Aber Doctorow bringt die Dinge schön auf den Punkt und fügt interessante Gedanken hinzu. Durch das Internet, so schreibt er, werden alle bisherige Medien, die im wesentlichen kommerziellen Gesetzen zu gehorchen haben, grundlegend verändert und zum Teil aufgelöst. Die Gegenargumente dieser Entwicklung sind zwar leidenschaftlich, werden aber nicht nüchtern geführt:

the rhetoric is mostly of the nonproductive „But I like it!“ and „It’s good for society!“ variety, with not enough thought given to whether these media are commercially viable in the Internet age.

Besonders schwarz sieht Doctorow für teure Leinwand-Epen, sogenannte BBMs (Big Budget Movies). Die immer größer werdende Lücke zwischen Produktionskosten und Gewinnen lässt sich nur noch mit enormen Anstrengungen (und einer Menge „Happy Meals Figuren“) überbrücken. Irgendwann wird sich diese Lücke nicht mehr schließen lassen. Die meisten Menschen werden Filme in Zukunft sehen wann, wo und zu welchem Preis sie wollen (einschließlich „umsonst“). Wenn die Filmindustrie sich hierauf nicht einstellt, wird es eng.

But if it’s not enough, commercially motivated BBMs might simply die.

Es wird, so Doctorow, sicher auch in Zukunft große, teure Filme geben, aber sie werden ein Randphänomen für wenige, wie z.B. die heutigen pompösen Bayreuther Wagner-Aufführungen.

Was Doctorow über den Musikmarkt schreibt, ist bereits sichtbar. Das bisherige Vertriebssystem ist am Ende. Das hat Vorteile – so wird der Liveact wieder zum eigentlich Kern des Musikerlebnisses und des Musikerlebens – und Nachteile:

There are artists who can’t perform for beans. Those artists‘ futures are in trouble.

KindleBesonders interessant ist aus meiner Sicht natürlich seine Einschätzung zum Buch in der Internet-Zukunft. Dem eBook gibt er keine keine große Chancen. Seine Argumentation verläuft etwa so: eBooks sind zu teuer für einen Massenmarkt. Um ein Massenpublikum zu finden, müssen sie zusätzliche Gimmicks an Bord haben, womit sie so ablenkend werden wie ein Computer, womit sie als Leseplattform ausfallen.

And don’t talk to me about ebook readers: Single-purpose devices that cost $400 a pop aren’t going to be choice items for people who resent spending money on books. And they’re not going to drop to $40 unless they sell in quantity, and that means adding more features to catch a bigger audience — at which point your ebook reader is as distracting as a PC.

Die Argumentation ist sicher angreifbar, beruht sie doch im Wesentlichen auf der Frage, wie leicht wir uns von der Konzentrationsaufgabe Lesen ablenken lassen, doch sie hat auch einiges für sich. Auf Leute wie mich trifft sie sicher zu. Fragt sich aber, ob dies auch für den Leser der Zukunft gilt.

Das Massenpublikum der Zukunft, so Doctorow, wird durch die Gewöhnung ans Internetlesen (schnell viele kurze Texte) vielleicht sowieso von den langen epischen Romanen abkommen, ähnlich wie von langen Filmen.

If big-budget movies might turn into opera, then long-form narrative books might turn into poetry.

Den sehr lesenswerten Artikel, mit einer Menge mehr Überlegungen und Argumenten gibt es bei internet evolution:

Link: Media-Morphosis: How the Internet Will Devour, Transform, or Destroy Your Favorite Medium

3 Meinungen dazu

Stefan, 3. März 2009, 22:22 Uhr

Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch. Ich denke auch, ebooks sind höchstens so etwas wie ein neues Medium. Dessen Vorteile leuchten mir aber nicht ein, denn wenn ich schon ein elektronisches Gerät habe, warum dann nicht gleich multimediatauglich mit Internetanschluss? Ich denke die Zukunft liegt eher in kleinen tragbaren Computern mit einer Größe zwischen Laptop und handy, mit denen ich alles mögliche machen kann – auch mal ausschalten und ein Buch lesen. Was gut ist bleibt und das Buch ist technisch perfekt ausgereift. Das Fahrrad ist ja auch nicht verschwunden, nur weil man auch einen Motor dran schrauben könnte.

toxicfuel, 6. März 2009, 11:12 Uhr

Wahrscheinlich haben die Buchverlage eh kein Interesse an den E-Books, und so werden sie alles daran setzten dieses Medium möglichst unattraktiv zu machen. So sprechen die Vertreter der Branche davon, die E-Books nur unwesentlich günstiger verkaufen zu wollen als ein „normales“ Buch. Diese wird dann natürlich niemand kaufen. Ich finde die Idee des E-Books eigentlich genial, nur müssen die Inhalte dann auch wirklich billig sein, oder zumindest einiges billiger als ein Paperback.
Ich verspreche mir von den E-Books etwa das gleiche wie vom iPod. Was diesen für mich so attraktiv macht ist die Unmenge von Inhalten, die ich darauf transportieren kann und dann ganz nach Lust und Laune abrufen kann ohne einen ganzen Rucksack voll Kasetten oder CD’s mit mir rumschleppen zu müssen.

futureader, 1. September 2009, 1:00 Uhr

Mein Vorkommentator findet also die „Idee des E-Books eigentlich genial, nur müssen die Inhalte dann auch wirklich billig sein“. Und damit bringt er´s auf den Punkt (wenn man mal von der kleinen Begriffsverwirrung absieht, doch wir wissen was er meint). Ich denke, diese Lese-Geräte werden sich zu einem gewissen Grad durchsetzen (etwa so verbreitet, wie das „in die Oper gehen“). Nur, gelesen wird darauf dann hauptsächlich das, was FREI im Internet erhältich ist. Qualitäts-Projekte in dieser Richtung gib´s ja zum Glück auch schon einige (Projekt Gutenberg zum Beispiel). So bekommen wir dann die paradoxe Situation, dass gute – rechtefreie – Klassiker auf den supermodernen Klindle & Co gelesen werden. Eine Tendenz, an die viele Trendvorhersager zu Beginn der Entwicklung dieser Geräte vermutlich nicht dachten.

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